Außereuropäisches Kulturgut restaurieren / Conservation of non-European cultural heritage

1995: Vorbereitung für >Weisheit und Liebe - 1000 Jahre Kunst des Tibetischen Buddhismus< / In 1995 and the preparation for >Wisdom and Compassion - 1000 Years of Tibetan Buddhism<

Frisch diplomiert traf ich als Museumsangesstellte erstmalig auf buddhistisches Kulturgut, als mir die Konservierung und Restaurierung eines altehrwürdigen Thangkas  (Im Tibetisches bedeutet thang ka "etwas, das zu rollen ist".) angetragen wurde. Das Stück sollte eine Wanderausstellung unbeschadet überstehen und der tibetische Besitzer wollte doch tatsächlich, dass ich schmuddelig dunkle Ölflecke in der Leimfarbenmalerei auf Baumwolle  unangetastet lassen sollte. Das stand nicht mit dem in Einklang, was ich an der FH, jetzt TH Köln, Cologne Institute of Conservation Sciences gelernt hatte: Nämlich dass in öligen bzw. fetthaltigen Rückständen Bestandteile enthalten sein können, die zur Versprödung von organischem Material wie z. B. der Baumwolle des Bildträgers und der Leimfarbenmalerei führen kann. Das Bild dürfte 8-900 Jahre alt sein und das Materialgefüge war zu diesem Zeitpunkt bereits angegriffen genug.

Die Eindringlichkeit, mit der mich dieser Tibeter davon abhielt, meine gelernten Konservierungs- und Restaurierungsstandards an seinem Thangka-Gemälde in die Tat umzusetzen, wirbelte meine ethische Auffassungen ordentlich durcheinander und setzte etwas in Gang, was mir erst heute nach und nach klarer wird: Ich war zu diesem Zeitpunkt eine westliche ausgebildete Restauratorin christlich jüdischer Tradition. Mein Wertesystem entsprach zu diesem Zeitpunkt anscheinend nicht dem Vajrayana-buddhistischen Wertesystem.

Was ich an den Ölflecken gemacht habe wollt Ihr / wollen Sie wissen? Nichts, da eine Versprödung bisher nicht eingetreten war. Dafür Anderes, was Ihr / Sie hier nachlesen und Euch / Ihnen anschauen könnt: Unter dem Punkt "Thangkas im konservatorischen und restauratorischen Kontext" und da unter "Rinchen Zangpo". Siehe unter: https://www.kunst-restaurierung.de/thangkas-im-konservatorischen-und-restauratorischen-kontext/rinchen-zangpo/ 

 

Freshly graduated, I met Buddhist cultural assets for the first time in the mid-1990s as a museum employee when I was offered the conservation and restoration of a time-honored thangka (in Tibetan thang ka means "something to roll".). The piece was supposed to survive a travelling exhibition undamaged and the Tibetan owner really wanted me to leave dark, dirty oil stains in the glue painting on cotton untouched. This was not consistent with what I had learned at the FH, now TH Köln, Cologne Institute of Conservation Sciences: This is because oily or greasy residues can contain components that lead in most cases to the embrittlement of organic material such as the cotton of the support, the ground layer and distempers on top.  The picture should be 8-900 years old and the material structure was already affected enough at that time.
The urgency with which this Tibetan prevented me from putting my learned conservation and restoration standards into practice on his thangka painting swirled my ethical views and set something in motion that only gradually became clearer to me today: At that time I was a Western trained restorer of Christian Jewish tradition. My value system at that time did not seem to correspond to the Vajrayana Buddhist value system.

Nothing, because embrittlement had not yet occurred. But something else, which you can read here and have a look at: Under the point "Thangkas in the context of conservation and restoration" and there under "Rinchen Zangpo". See: https://www.kunst-restaurierung.de/thangkas-im-konservatorischen-und-restauratorischen-kontext/rinchen-zangpo/  

 

2002: Arbeitsaufenthalt in Tibet / Working stay in Tibet in 2002

Die mir so schlagartig bewusst gewordenen unterschiedlichen Prioritäten, Herangehensweisen und Wertvorstellungen machten mich neugierig, worin die Unterschiede liegen und welche Bedeutungen und Traditionen dahinter stehen. 2002 führte mich das zu einem vom Tibet Heritage Fund (THF) initiierten Arbeitseinsatz nach Tibet in die Provinz Kham, heute die chinesische Provinz Sechuan. Ich erfuhr dort u. a., dass das Übermalen einer Wandmalerei des 18. oder beginnenden 19. Jhs. durch den Verdienst der Spende der hierfür notwendigen Farben, dem Verdienst des Malens für den/ die Maler und dem Verdienst des diese Malerei im Auftrag gegebenen Spenders/ Klosters hoch eingeschätzt wurde und sich religiös positiv auf die erwähnten Persönlichkeiten und Institutionen ausgewirkt haben dürfte. Denn der praktizierende Buddhist versucht vereinfacht ausgedrückt, selbstverantwortlich sein Heilsziel zu erreichen und dabei möglichst viel Verdienstvolles zu tun und dabei keinem Lebewesen Schaden zuzufügen. Das Verdienstvolle kann auch darin zum Ausdruck gebracht werden, eine in die Jahre gekommene Malerei aufzufrischen. Dies anscheinend auch dann, wenn die neue Malerei augenscheinlich von geringerer malerischer Qualität zu sein schien ist als die alte Farbfassung darunter, die in Ausbruchstellen sichtbar wurde.

 

The different priorities, approaches and values that I became so suddenly aware of made me curious as to where the differences lie and what meanings and traditions lie behind them. In 2002, this led me to a mission initiated by the Tibet Heritage Fund (THF) to Tibet in the province of Kham, today the Chinese province of Sechuan. There I learned, among other things, that the overpainting of a mural painting of the 18th or early 19th century was highly valued through the merit of donating the necessary paints, the merit of painting for the painter(s) and the merit of the donor/monastery that commissioned this painting, and that it probably had a positive religious effect on the aforementioned personalities and institutions. In simple terms, the practicing Buddhist tries to achieve his goal of salvation on his own responsibility and to do as much as possible to deserve merit while not harming any living being. The meritorious can also be expressed by refreshing an ageing painting. This seems to be the case even if the new painting seems to be of lower painterly quality than the old colour version underneath, which became visible in outbreaks.  

Möchte unser westliches Wertebewusstsein Historisches erhalten und das Original bewahren, scheint für Buddhisten dies nicht von Wichtigkeit zu sein. Entscheidend sind dabei eher die positive Auswirkungen für die vielen Beteiligten an dieser Wandneugestaltung auf der Eingangsseite zum Tempel und dies zu Ehren Buddha, der Lehre und der Lehrgemeinde.

 

Decisive are rather the positive effects for the many people involved in this new wall design on the entrance side to the temple and this in honour of Buddha, the teaching and the teaching community.

 

Bereits vor dieser Reise war mir die Bedeutung von Handwerkstraditionen im Einklang mit der buddhistischen Lehre und - um die mich betreffende Gattung der höheren Handwerkstechniken herauszustellen - die Wichtigkeit von Maltraditionen, Farb- und Form-Kanone und die Beseelung solcher Malereien bewusst. Letztere (auch Konsekrierung genannt) zusammen mit der handwerklichen Perfektion  ihrer Ausführung macht sie zu spirituellen Instrumenten als expressive Hilfsmittel zur Erlangung individueller Heilsziele. Beseelt bedeutet, dass der Thangka-Maler als letzten Malakt erst die Augen der Gottheiten malt und spirituell geschulte buddhistische Würdenträger die betreffende Malereien anschließend spirituell aufladen und segnen. Dies brachte mir die anfängliche Verwunderung über eine historische Wandmalerei näher, bei der ausgekratzte Augen der Gottheiten und buddhistischen Würdenträgern mit einfachsten Mitteln malerisch ergänzt wurden.

 

Even before this journey I was aware of the importance of craft traditions in accordance with Buddhist teachings and - to emphasize the genre of higher craft techniques that concerned me - the importance of painting traditions, the colour, the canon of forms and the spiritual empowerment of such paintings. The latter (also called consecration) together with the technical perfection of their performace makes them to spiritual instruments as expressive aids for attaining individual healing goals. Spiritual empowered means that the thangka painter, as the last act of painting, paints the eyes of the deities and then spiritually trained Buddhist dignitaries spiritually charge and bless the paintings after. This brought me closer to the initial amazement at a historical mural painting in which the scratched out eyes of the deities and Buddhist dignitaries were painterly supplemented with the simplest means.

Die bewusst herbeigeführten Schäden mussten als direkte Auswirkung der chinesischen Kulturrevolution und der nachfolgenden Zerstörung von Klöstern betrachtet werden und die Ergänzungen das, was die hauptsächlich äußerst finanzschwache Region im Bereich dieses Klosters aufbieten konnten, um die darin befindlichen Wandmalereien wieder in Funktion zu setzen und die darauf abgebildeten Persönlich- und Gottheiten zu ehren.

The deliberately caused damage had to be regarded as a direct effect of the Chinese Cultural Revolution and the subsequent destruction of monasteries, and the additions had to be seen as what the mainly extremely financially weak region in the area of this monastery could offer in order to put the wall paintings in it back into function and to honour the personalities and deities depicted on them.

 

 

Zurück im Westen, wirkten sich meine dort gemachten Erfahrungen unmittelbar auf meine Arbeit an buddhistischen Rollbildern aus, was Ihr/ Sie im nächsten Kapitel nachvollziehen könnt.

 

Back in the West, my experiences there had a direct effect on my work on Buddhist scroll paintings, which you can understand in the next chapter. 

 

 

Seit 2002: Vom Logozentrismus hin zur Transkulturalität in der Restaurierung / From Logocentrism to Transculturality in the Conservation and Restoration Work

Dürfen wir religiöse Werkzeuge des täglichen Gebrauchs und der Würdigung bei uns als Kunst deklarieren und behandeln, wenn es im Asiatischen noch nicht einmal einen Begriff für Kunst gibt?

 

Are we allowed to declare and treat religious tools of daily use and appreciation as art if there is not even a term for art in the Asian language?

 

 

 

Rechtfertigt der Eigentumserwerb von außereuropäischem Kulturgut im Westen automatisch einen restauratorischen Umgang nach westlichen Standards?

 

Does the ownership of non-European cultural property in the West automatically justify a restorative approach according to Western standards?

 

 

 

 

 

Könnte die Deutungshoheit über restauratorische Maßnahmen partizipativ zu gleichen Teilen vom Eigentümer bzw. Auftraggeber und Hersteller erfolgen?

 

Could the sovereignty of interpretation over restorative treatments be decided in equal parts by the owner respectively customer and manufacturer?

 

 

Oder könnte zumindest in der Vorbereitung und Ausführung von konservatorischen und restauratorischen Arbeiten ein transkulturelles Einlesen und Einfühlen in die betreffende Kultur und ihre Traditionen zu mehr Respekt und kulturgemäßeren Ergebnissen führen?

 

Or could at least in the preparation and the carrying out of conservation and restoration works a transcultural reading and understanding of the culture and its traditions lead to more respect and more culturally appropriate results?

 

 

Im Umgang und im Ausstellen zwischen Wertesystemen vermitteln? / Mediate between value systems in dealing with and exhibiting?

 

Kulturen und ihre Traditionen nach Prof. Dr. Martin Sökefeld´s wissenschaftlicher Abhandlung von 2007 Problematische Begriffe >>Ethnizität<<, >>Rasse<<, >>Kultur<<, >>Minderheit<<, aufzufassen, ist im Hinblick auf die eigene logozentrische Verortung von gelerntem Wissen und Standards, Regularien und Ethiken wichtig. Erst dadurch kann das Kulturgut dieser Ethnizität mit der meines Dafürhaltens notwendigen Haltung bearbeitet und ausgestellt werden.

 

Understanding cultures and their traditions according to Prof. Dr. Martin Sökefeld´s scientific treatise of 2007 Problematic concepts >>ethnicity<<, >>race<<, >>culture<<, >>minority<< is important in view of the own logocentric location of learned knowledge and standards, regulations and ethics. Only then the cultural heritage of this ethnicity can be worked on and exhibited with the attitude I consider necessary.

 

 

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